Freitag, September 15, 2006

Meet you at the statue in an hour

Moi,
wie zu erwarten war, habe ich jetzt schon länger nichts mehr von mir hören gelassen.
Das hat mehrere Gründe, vor allem weniger angenehme:

1. Meine Kamera ist kaputt.
Tja. Da macht man so viel durch für sie, ich darf nochmal daran erinnern, daß ich nur für sie schon auf Finnisch telefoniert habe. Aber offenbar will sie nicht bei mir sein, sonst hätte sie sich nämlich vor ein paar Tagen nicht aus einem Meter Höhe auf den Boden gestürzt. Ich habe noch versucht, sie abzufangen, was wohl auch Schlimmeres verhindert hat: Fotos macht sie noch, aber das Display ist total im Eimer. Das heißt: Fotografieren nur noch auf einer Einstellung, Foto machen = draufhalten, klicken, und das macht wirklich keinen Spaß.
Aber nicht mehr lange, denn was ist ein Auslandsaufenthalt ohne Kamera... Ich werde wohl das Geld ausgeben und entweder zusehen, daß ich ein neues Display eingebaut bekomme (geht das??) oder - wenn das zu teuer ist - mir die Kamera nochmal kaufe. Mist!

2. Auch hier habe ich Uni.
Und entgegen aller Gerüchte heißt Erasmus nicht zwangsläufig, daß man nichts mehr machen muß. Auch hier ist mein Stundenplan normalvoll, und eine Vorlesung (Graph Theory) muß ich mir im Selbststudium aneignen, weil nur die Übung dazu auf Englisch angeboten wird. (Wir saßen ein wenig überrascht in der ersten Vorlesung... immerhin konnte man verstehen, worum es ging.) Wer mich kennt, sollte wissen, wie schwer das für mich ist... Bis jetzt hats aber einigermaßen geklappt.

Ein kleiner Überblick über meinen Stundenplan in der Period 1 (ungefähr die ersten sechs Wochen): Programming 1 (ich werde Profi in C++! Wer schon immer mal seinen Body-Mass-Index berechnet haben wollte, der melde sich bitte bei mir, das kann ich nämlich schon), Algebra 2 (der Professor, selbst kein Finne, hat leider noch nicht so ganz verstanden, daß auch in Finnland sie Vorlesungen nur 90 Minuten dauern - eine 120-Minuten-Vorlesung ohne Pause abends von fünf bis sieben ist deshalb keine Ausnahme), Graph Theory, Finnish for beginners 1, Finnish for beginners 2. Ich habe ja in Berlin schon einen Finnischkurs gemacht und deshalb ist der zweite Kurs eigentlich richtig für mich, aber bei der Einschreibung wollte ich mich darauf nicht verlassen. Außerdem bringt der erste Kurs zusätzliche 3 Credits, eine furchtbar tolle Dozentin, viele nette Internationals (die dann doch zur Hälfte deutsch sind) und jede Menge Erfolgserlebnisse. Und als Wiederholung ist er auch gut.


Es gibt Unterschiede zwischen finnischen und deutschen Unis.

1. Gepolsterte Hörsäle. Muß ich dazu noch was sagen?

2. Wie schon gesagt: Auch hier dauern die Vorlesungen 90 Minuten. Mit dem Unterschied, daß hier meistens nach 45 Minuten eine 15-Minuten-Pause eingelegt wird (NICHT bei Algebra 2). Das hat zur Folge, daß man auch in der zweiten Hälfte meistens noch konzentriert ist. Gut!

3. Die Uni steht den Studenten zur Verfügung, wann immer sie wollen. Unser Studentenausweis ist gleichzeitig Schlüssel zu den Universitätsgebäuden, und das 24/7. Es ist schon nicht schlecht, nachs um zwölf an die Uni gehen zu können, um mal eben was auszudrucken. Habe ich gestern gemacht und ich war nicht die einzige im Gebäude. Man kommt auch in mehrere Hörsäle rein und wer Lust hat, könnte die ganze Uni leerräumen, nur daß in Finnland niemand auf diese Idee kommen würde. Aber zur Beruhigung: auch hier gibt es Überwachungskameras.

4. Das Bewußtsein der Studenten ist ein ganz anderes als bei uns. In Deutschland geht man morgens zur Vorlesung (oder eben nicht), ein paar arme Irre sind sogar in der Fachschaft und man hat sogar schon von Leuten gehört, die im AStA sind. Der jedes Jahr von vielleicht 6 Prozent der Studenten gewählt wird (ich wähle übrigens immer brav mit).
Das ist hier anders: man hat das Gefühl, die Leute definieren sich über ihre Uni. Das fängt dabei an, daß hier jeder Student in irgendeiner Gilde ist. Das sind nicht die Burschenschaften, von denen man in Deutschland so hört, sondern - soweit ich das verstanden habe - einfach Zusammenschlüsse von Studenten, abhängig vom Studiengang.
Nach dem ersten Studienjahr (wenn man dann ein Teekkari ist) besorgen die sich dann ALLE seltsame Overalls, die je nach Gilde eine andere Farbe haben (ich glaube, unsere Mathematikerfarbe wäre türkis) und auf denen man dann so viele Aufnäher wie möglich anbringt. Aufnäher gibts bei allen Veranstaltungen, die irgendwie von Studenten mitorganisiert werden, für ein paar Euro zu kaufen. Also eine große Trophäensammlung. Und würde sich bei uns niemand so aus der Wohnung trauen, laufen hier viele Studenten täglich in ihren Overalls rum.



Dann hat jeder Teekkari noch etwas, was nur den TUT-Studenten vorbehalten ist: einen seltsamen Hut, der viel Geld kostet, den aber jeder besitzt und zu besonderen (?) Anlässen mit Stolz trägt. Es kommt vor, daß Leute mit nur diesem Hut bekleidet in der Sauna sitzen. Klischee galore!

Bei so viel studentischem Selbstbewußtsein und staatlicher Bildungsförderung wundert es dann auch niemanden mehr so richtig, daß die Motivation beim Studium eine ganz andere als in Deutschland ist. Was ich allerdings noch nicht rausgefunden habe: ob das an jeder finnischen Hochschule ähnlich ist oder ob die Techniker hier auch eher ein Volk für sich sind... Ach ja, für alle, die es noch nicht wissen: Studiengebühren gibts hier keine.




So. Was gibts sonst Neues? Ich war in Turku. Eine nette Stadt, allerdings haben wir von der Innenstadt selbst nicht so richtig viel gesehen. Nett wars trotzdem. Das Wetter war sehr super und wir sind ein bißchen auf der Ostsee rumgeschippert und nochmal zu einer Insel gefahren, auf der wir in der Sonne rumgelegen haben, durch den Wald gewandert sind und Elche gesucht haben. Mit der letzten Fähre in diesem Jahr (der Sommer ist hier zu Ende!) wieder zurück nach Turku gefahren, da zum ersten Mal Rentierfleisch gegessen (muß man doch alles ausprobieren!) und spätabends zurückgefahren.
Das war übrigens auch der Tag, an dem ich festgestellt habe, daß meine Kamera kaputt ist, also hab ich sicherheitshalber auch noch meine Spiegelreflexkamera mitgenommen. Wenn man Digitalkamera gewöhnt ist, dann ist es ganz leicht, in ein paar Stunden 36 Fotos zu verknipsen....











So, das sollte für einen Blogeintrag erstmal reichen. Doch der nächste kommt sofort, keine Angst.

Nähdään

Finnmarie, die übrigens mittlerweile ab und zu wirklich so genannt wird.

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